VON SCHMETTERLINGEN UND DRACHEN
Textile Schätze südchinesicher Bergvölker
Nach unserer Sommerpause blicken wir direkt wieder in ferne Länder und präsentieren aktuell in unserer Werkstatt neben unseren handgearbeiteten Schmuckstücken textile Schätze südchinesischer Bergvölker.
Kleidung hat in allen Kulturen eine große Bedeutung, offenbart eine Volks-, Stammes-oder Gruppenzugehörigkeit, ist Ausdruck einer internationalen Modeströmung. Sie sagt nicht ur etwas über die gesellschaftliche Stellung des Trägers aus, sondern kann ebenso ein Zeichen von Individualität und persönlicher Abgrenzung sein.
China blickt auf eine jahrhundertelange textile Tradition zurück. Speziell die kunstvollen Arbeiten der südchinesischen Bergvölker sind aufgrund ihres Formen- und Materialreichtums besonders prächtig und farbenfroh gestaltet. Sie sind so facettenreich wie die Bergvölker selbst: Festtagsskleider, Babytragetücher, Schmuckdecken, Kopfbedeckungen und Schuhe entlehnen Flora und Fauna ihre Muster. Häufig verwendet man Drachen- und Schmetterlingsmotive aus der reichen Mythologie. Erkennbare Formen der Stickarbeiten wie Phönix, Pfau, Granatapfel, Chrysantheme, Päonie und Lilie entwickelte man im Lauf der Zeit auch zu stilisierten geometrischen Mustern. Oft erzählt die Symbolik in Ermangelung einer eigenen Schrift dem Kundigen die Geschichte und den Alltag der Stammesangehörigen. Jeder Stich soll nach strengen Regeln als heiliger Akt unter Beobachtung der Ahnen bestens ausgeführt werden. Die Nadel zeichnet das Muster, der Faden schafft die Farben. Die phantasievolle Gestaltung der Textilien spiegelt die Kreativität und Leidenschaft der Bergvölker Südchinas auf eine ganz besondere Weise wider.
Friedhelm Petrovitsch dokumentiert seit 2003 auf seinen Reisen das Leben der 56 von der chinesischen Regierung offiziell anerkannten Ethnien nicht nur durch beeindruckende Fotografien, sondern auch mit einer umfangreichen Sammlung von Textilien, die er in Ausstellungen Kulturinteressierten zugänglich macht. Dabei wurde er bisher im Zuge eines breit gefächerten Kulturaustauschs unterstützt von den Chinesischen Generalkonsulaten in Frankfurt und Düsseldorf sowie den Konfuzius Instituten Hannover, Heidelberg, Berlin, Erfurt, Stralsund und Düsseldorf. Auf Einladung des an der Haikou Universität lehrenden Prof. Zhan begleitete Friedhelm Petrovitsch fotografisch dokumentierend eine Forschergruppe von 10 Wissenschaftlern auf den Spuren des deutschen Ethnologen Hans Stübel, der 1931 und 1932 zwei Forschungsreisen zu den Li und Miao auf der Insel Hainan unternahm und 1937 ein umfangreiches Werk dazu veröffentlichte. Eine große Ausstellung in Haikou öffnete nicht nur den Blick auf die Vergangenheit einer von Stübel eingefangenen Lebenswelt der beiden Ethnien, sondern sollte den Ausstellungsbesuchern auch das Bewusstsein für ihre während der Kulturrevolution vielleicht in Vergessenheit geratenen historischen Wurzeln schärfen.
Wir danken Friedhelm Petrovitsch für diese besondere Leihgabe! Die Ausstellung ist bis zum Start der Kunstroute am 26.9.2025 zu sehen. Sein Buch „Chinas Bergvölker – Fotografien 2003 – 2019“ (erschienen im BACOPA-Verlag) ist bei uns in der Werkstatt erhältlich.